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Seid barmherzig ...
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Gedanken von Dekan Köhler zur Jahreslosung 2021

In allen großen Weltreligionen wird eine Eigenschaft Gottes besonders hervorgehoben: Die Barmherzigkeit. Besonders die Bibel, ein Buch, das die Erfahrungen von Menschen mit Gott aus mehreren Tausend Jahres enthält, stellt uns von Anfang an Gott als einen barmherzigen Gott vor. Diese mannigfachen Erfahrungen mit dem barmherzigen Gott, der immer wieder Gnade gewährt, der sich immer wieder umstimmen lässt und einen Neuanfang möglich macht, der die Gefangenen frei macht, der die Verlorenen nicht preisgibt, der die schuldig Gewordenen nicht sich selber überlässt  und der die Hohen vom Thron stürzt und die Niedrigen erwählt, werden in Geschichten beschrieben und in Liedern besungen: „Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“ (Psalm 145,8). Wenn Jesus in seinen Reden und Taten Gott zu den Menschen sprechen lässt, dann tut er das als die verkörperte, menschgewordene Barmherzigkeit und macht unüberbietbar deutlich, dass das wahrhaft nicht nur irgendeine Eigenschaft, sondern die Eigenschaft Gottes ist, mit der wir Menschen rechnen dürfen und die es vermag, uns zu verändern. Und so hören wir vom Evangelisten Lukas, wie Jesus in seiner berühmten Feldrede, die der von Matthäus überlieferten Bergpredigt ähnlich ist, diesen Satz sagt, der in diesem Jahr als Jahreslosung ausgesucht wurde: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Jesus spricht hier zu einer großen Menschenschar und Lukas schreibt dazu: „Und alles Volk suchte ihn anzurühren, denn es ging Kraft von ihm aus und er heilte sie alle.“ Es ist diese Kraft der Barmherzigkeit Gottes, die Jesus hier weitergibt und die für viele Menschen heilsam ist.

Was barmherziges oder unbarmherziges Verhalten bedeuten kann, haben wir in dem zurückliegenden Corona-Jahr an den unterschiedlichen Stellen in unserem Alltag und in unserem Miteinander erfahren können. Nehmen wir uns ruhig mal einen Moment Zeit, um dem nachzusinnen: 

Wo und durch wen habe ich diese Kraft der Barmherzigkeit erfahren dürfen und wo ist mir selbst die Kraft zu eigen gewesen, in dieser Krise so auf Menschen zuzugehen, dass sie mein Reden oder Tun als heilsam erlebt haben. Wo bin ich vielleicht dabei an der einen der anderen Stelle  über mich selbst hinausgewachsen?

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ ist kein moralischer Appell, sondern die Erinnerung daran, dass wir selbst immer wieder Gnade und Barmherzigkeit erfahren und auch weitergeben. Wie wir diese Erfahrungen in unserem Leben deuten, ist sicher sehr individuell, doch im Glauben an den Gott, der uns das Leben geschenkt hat, der uns durchs Leben trägt und der uns am Ende nicht ins Bodenlose fallen lässt, können wir unsere Erfahrungen von Gnade und Barmherzigkeit als die Kraft Gottes verstehen, die uns hilft Schweres zu ertragen und die uns auch hilft, diese Kraft an andere weiterzugeben. 

Aber hat nun Barmherzigkeit immer gleich etwas mit Gott und seiner Barmherzigkeit zu tun?  Es gibt mittlerweile eine ganze Menge nicht-religiöse Hilfsorganisationen, die mit anrührenden Bildern dafür werben, dass ich dazu beitrage, Leid zu lindern.  Benötige ich Gott und meinen Glauben an Gott, um Mitleid zu empfinden und entsprechend zu handeln? Mitleid ist ein Gefühl, das durch das Leid eines anderen ausgelöst wird. Mitleid kann mich anrühren und mich dann dazu motivieren, etwas zu tun, um das Leid des anderen zu verringern. Und das ist auch gut so.

Kann es aber sein, dass mit der Barmherzigkeit Gottes mehr gemeint ist? Kann es sein, dass Gott nicht aus Mitleid, sondern aus Barmherzigkeit handelt? Kann es sein, dass die Liebe Gottes nicht das bloße Mitgefühl meint, dass wir Menschen oft denen gegenüber haben, die uns irgendwie anrühren. 

Kann es sein, dass die Barmherzigkeit und Liebe Gottes im Unterschied dazu allen gilt, ohne Ausnahme. Auch denen, die nicht Mitleid erwecken, auch denen, die ich nicht ins Herz geschlossen habe, auch denen, die mich nicht anrühren,  auch denen, von denen ich vielleicht sogar insgeheim denke: Selber schuld ! 

Ich meine, genau dies an Jesus und seiner Barmherzigkeit ablesen zu können, wenn ich versuche, seine Gleichnisse zu verstehen und seine Worte zu deuten. 

Und eine solche Barmherzigkeit, die sich nicht nur von unserem Mitgefühl und unserem Wohlwollen leiten lässt, ist wahrhaft eine Kraft, die nicht ohne weiteres aus mir selbst kommt. 

Für dieses Neue Jahr wünsche ich uns allen, dass wir sie immer wieder erfahren, die Kraft der Barmherzigkeit, und dass wir sie weitergeben können, wo immer sich die Gelegenheit dazu bietet.

Amen.

Motiv der Jahreslosung: Verlag am Birnbach - Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen